Die Prozesse des Entblätterns und Durchleuchtens – also die Sichtbarmachung von verborgenen Erzählungen, Zuständen und Beziehungsgeflechten – sind bestimmende Merkmale von Rémy Markowitsch’ Arbeitsweise. Der in Berlin und Luzern lebende Künstler (*1957, CH), von besonderen Biografien und Literaturen inhaltlich angetrieben, offenbart die Ergebnisse seiner Recherchen in unterschiedlichen Medien. Eingeladen, ein Projekt für Neuer Norden Zürich zu entwickeln, stiess Markowitsch auch in Zürich auf den jüdischen Autobauer Josef Ganz (1898–1967), mit dem er sich bereits 2016 anlässlich einer Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg befasst hatte. 1931 präsentierte Ganz der Automobilwelt – er erntete viel Lob – den Prototypen seines «Maikäfers», der viele Aspekte des später unter nationalsozialistischem Regime entwickelten VW Käfers vereinte. Doch die Karriere von Ganz wurde durch die Nationalsozialisten gezielt untergraben. Um zu überleben, musste er aus Deutschland flüchten. Er fand sein erstes Exil in der Schweiz, an der Zürcher Adresse In der Hub 16, direkt an der Grenze zu Schwamendingen. Josef Ganz war einige Jahre in der Schweiz tätig: Mit Fördergelder unterstützt, enstand ein Schweizer Volkswagen, von dem er 1937/1938 vier Prototypen baute. Dazu gehörte der «Silberfisch», der sich durch eine Aluminiumkarosserie auszeichnete; für die Schweizer Bob-Nationalmannschaft erfand er ein neuartiges Federungssystem, das der Schweiz bei den Olympischen Winterspielen 1948 in St. Moritz zum Sieg verhalf. Am 9. Oktober 1950 wurde Josef Ganz, da seine Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert worden war, von der Fremdenpolizei in Zürich verhaftet und musste die Schweiz binnen 24 Stunden verlassen. Überstürzt flüchtete Ganz in seinem «Silberfisch» nach Paris und emigrierte im darauffolgenden Jahr nach Australien. An dieses vergessene Kapitel Lokalgeschichte, das sich überraschenderweise mit Weltgeschichte verbindet, erinnert Josef Ganz im Silberfisch, ein temporäres Denkmal für den Kleinwagen-Visionär.
Mehr Informationen zu Josef Ganz: www.josefganz.org
Courtesy of the artist und Galerie Eigen+Art, Berlin/Leipzig